Und es geht doch... Agrarwende JETZT!

Deutschland 2022 – 101 min – Autor: Bertram Verhaag

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Restaurant und Ihr Essen wird gebracht. Wissen Sie, woher die Lebensmittel dafür stammen? Woher kommen die Kartoffeln, das Gemüse, woher das Lamm, Rind oder Schwein?

Oft klafft heute eine große Lücke zwischen dem Anbau unserer Lebensmittel und dem Wissen um ihre Herstellung, und das nicht nur in den Grundschulen, wo es immer weniger Kinder gibt, die wissen, wie Lebensmittel entstehen und wo die meisten Essen nur aus dem Supermarktregal kennen.

Die Art und Weise wie heute Nahrung, pflanzlich wie tierisch, nach industriellem Maßstab erzeugt wird, hat oft negative Auswirkungen für die Biodiversität. Der immense Landverbrauch bedeutet Lebensraumverlust für viele heimische Tier- und Pflanzenarten, die intensive Bewirtschaftung führt unter anderem zu Bodenverdichtungen und Einheitslandschaften. Dies ist alles längst bekannt, die Frage ist aber, wie wir eine dringend notwendige Agrarwende zu einer nachhaltigeren Bewirtschaftung erreichen können?

Diesem Thema widmet sich der Film mit dem Titel „Und es geht doch... Agrarwende JETZT!“, den wir mit dem zweiten Platz als Sieger des Naturfilmpreises Baden-Württemberg 2023 auszeichnen wollen. Der Film legt einen etwas anderen Fokus auf die landwirtschaftliche Erzeugung und zeigt auf, wie gesunde, nachhaltige und regionale Lebensmittel erzeugt werden können. Er handelt vom Werdegang der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall und Rudolf Bühler, ihrem Gründer, der es geschafft hat, Landwirte in der Umgebung von seinen Ideen zu überzeugen, und eine Gemeinschaft zu gründen, die weit über die Region Strahlkraft erlangt hat.

Im Film kommen nicht nur die Landwirte zu Wort, die durch die Gemeinschaft ihre Existenz auf einem heftig umkämpften Markt mit immer billigeren Lebensmitteln sichern können, es wird auch aufgezeigt, wie Rudolf Bühler es schafft, seine Ideen mit viel Überzeugung und Initiative umzusetzen. Heute umfasst die BESH über 1500 Bauernhöfe, neben dem Schwäbisch Hällischen Schwein, einer alten bedrohten Haustierrasse, gibt es eine lokale Schlachterei, eine Dorfkäserei und mittlerweile eine Akademie auf Schloss Kirchberg.

Warum hat uns dieser Film beeindruckt?

  1. In unserer Zeit wird das Wirken einzelner Menschen oft kleingeredet. Es wird uns vermittelt, auf einen allein kommt es doch nicht an. Dieser Film zeigt am Beispiel von Rudolf Bühler aber sehr eindrucksvoll, wie sehr einzelne Personen Dinge in Bewegung bringen können und dass es wert ist, sich auch gegen Widerstände einzusetzen.
  2. Das Zusammenbringen vieler Akteure ist eine große Aufgabe, aber der gemeinschaftliche Ansatz war entscheidend für diese Erfolgsstory. Nur gemeinsam sind wir stark, über dieses Sprichwort wird hier eine beeindruckende Geschichte erzählt.
  3. Auch auf jeden von uns Einzelnen kommt es an, wir als Verbraucher können solche Initiativen unterstützen und damit den dringend notwendigen Wandel herbeiführen.

Anhand der Geschichte zeigt Bertram Verhaag als Regisseur eine sehr persönliche Dokumentation, die zum Nachdenken anregt. Bei jedem von uns in der Jury hat dieser Film Momente des Nachdenkens erzeugt und es ist zu wünschen, dass dies bei vielen weiteren Zuschauern auch so sein wird. Er folgt seiner eigenen Dramaturgie und den verschiedenen Projekten von Rudolf Bühler und dokumentiert, wie ein Wandel in der Landwirtschaft lokal und regional gelingen kann. In unserer schnelllebigen Zeit von sekundenlangen Videos wirkt der Film mit einer Dauer von 101 Minuten vielleicht etwas aus der Zeit gefallen und hat manchmal etwas Längen. Trotzdem ist zu hoffen, dass nicht nur der Film, sondern auch seine Aussage viele Zuschauer erreicht und zum Nachdenken anregt. Wir wünschen es dem Protagonisten, dass dieses Modellprojekt weite und immer weitere Kreise zieht und auch anderorts Nachahmer findet.

Der Film beginnt mit der Aussage „kommt Freunde...“, wenn Rudolf Bühler mit seinen Schwäbisch hällischen Schweinen über die Weiden zieht. Vielleicht ist dieses „kommt Freunde…“ nicht nur sinnbildlich für einen anderen Umgang mit Tieren, sondern auch ein Appell an uns alle, die Agrarwende gemeinsam anzupacken. „kommt Freunde….“

Wir gratulieren Bertram Verhaag und seinem Team zu dem Film und zu dem Preis.